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Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 12.10.2007
Aktenzeichen: 5 U 5/07
Rechtsgebiete: LFGB, LMKV, UWG
Vorschriften:
LFGB § 11 Abs. 1 Nr. 1 | |
LMKV § 5 Abs. 2 Nr. 6 | |
LMKV § 6 Abs. 1 | |
UWG § 3 | |
UWG § 4 Nr. 11 |
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Geschäftszeichen: 5 U 5/07
Verkündet am: 12. Oktober 2007
In dem Rechtsstreit
hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, durch durch die Richter Betz, Rieger, Dr. Koch nach der am 10. Oktober 2007 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 6 für Handelssachen, vom 15. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Gründe:
I.
Die Parteien sind Wettbewerber bei der Vermarktung von pflanzlichen Extrakten, Lebensmittelfarbstoffen und färbenden Lebensmitteln.
Die Antragsgegnerin vertreibt unter der Bezeichnung "E." färbende Lebensmittel, die nach ihren Angaben als Konzentrate "ausschließlich aus essbaren Früchten und Gemüse hergestellt werden" (Anlage ASt1). Für die Herstellung dieses Produkts verwendet die Antragsgegnerin im Rahmen des Herstellungsprozesses Invertzucker, Fructose und Saccharose. Diese sind auch im Endprodukt (noch) vorhanden. Bei ihrer Produktvorstellung gibt die Antragsgegnerin gegenüber den Fachkreisen folgende Kennzeichnungsempfehlung:
"G. empfiehlt, E.(r) in der EU folgendermaßen zu deklarieren:
Konzentration aus Früchten und Gemüse (verwendeten Rohwaren) z. B.: Konzentration aus Früchten und Gemüse (schwarze Johannisbeere, Karotte)."
Die Deklarierungsempfehlung enthält keine Angaben zu den Zuckerarten, die den Produkten ebenfalls zugesetzt worden sind.
Dieses Verhalten beanstandet die Antragstellerin als wettbewerbsrechtlich unlauter. Sie ist der Auffassung, die lebensmittelrechtlichen Kennzeichnungsvorschriften erforderten eine entsprechende Angabe. Diesem Rechtsstandpunkt tritt die Antragsgegnerin entgegen.
Die Antragstellerin hat in erster Instanz beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000.-, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollziehen an dem Geschäftsführer, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken färbende Lebensmittel, die unter Verwendung von Invertzucker, Fructose, Saccharose oder anderen Trägerstoffen hergestellt worden sind, mit der Empfehlung zu bewerben, sie als "Konzentration aus Früchten und Gemüse (verwendete Rohewaren)" ohne Angabe der Trägerstoffe zu deklarieren, insbesondere wenn dies wie folgt geschieht:
[ es folgt die Einblendung der Einzelangaben aus der einstweiligen Verfügung]
Auf der Grundlage dieses Antrags hat das Landgericht Hamburg am 19.10.06 eine entsprechende einstweilige Verfügung erlassen, gegen welche die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt hat.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 19.10.06 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.
Das Landgericht Hamburg hat die einstweilige Verfügung mit Urteil vom 15.12.06 aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragstellerin.
Die Antragstellerin beantragt nunmehr,
das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 15.12.06 abzuändern und die einstweilige Verfügung erneut zu erlassen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils sowie auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht den Verfügungsantrag zurückgewiesen. Der Antragstellerin steht ein Anspruch aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i. V. m. § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB nicht zu. Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass die Antragsgegnerin mit der angegriffenen Kennzeichnungsempfehlung (Anlagen ASt1 und ASt2) nicht gegen lebensmittelkennzeichnungsrechtliche Vorschriften verstoßen hat. Der gegenteiligen Auffassung der Antragstellerin vermag der Senat nicht zu folgen. Die Berufungsbegründung gibt Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen.
Die von der Antragsgegnerin bei der Herstellung ihrer färbenden Lebensmittel verwendeten Substanzen (Invertzucker, Fructose und Saccharose) sind gem. § 5 Abs. 2 Nr. 6 i. V. m. § 6 Abs. 1 LMKV von der Kennzeichnungspflicht ausgenommen. Dies ergibt sich für den Senat aus folgenden Überlegungen:
1. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, dass die verwendeten Substanzen weder unter § 5 Abs. 2 Nr. 2 noch unter § 5 Abs. 2 Nr. 4 LMKV fallen. Auch § 5 Abs. 2 Nr. 3 LMKV ist nicht einschlägig. Die Norm verweist auf § 2 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 LFGB. In dieser Vorschrift sind sog. "Verarbeitungswirkstoffe" beschrieben, und zwar in der Definition der Anmerkung 5 zu Art. 1 Abs. 3 Ziffer a der Richtlinie 89/107/EWG. Danach ist nach dem Verständnis des Senats ein Charakteristikum von Verarbeitungswirkstoffen nach dieser Begriffsbestimmung, dass diese dem Produkt im Rahmen des Verarbeitungsprozesses hinzugefügt, später jedoch - nach Zweckerfüllung - wieder (aktiv bzw. passiv) entfernt bzw. deaktiviert werden. Nur vor diesem Hintergrund ist die Wortwahl "unbeabsichtigte, technisch unvermeidbare Rückstände" (Unterstreichung durch den Senat) sinnvoll erklärbar. Kommt den beigegebenen Hilfsstoffen hingegen eine fortdauernde Zweckbestimmung auch im fertigen Produkt zu, kann es sich schon sprachlich nicht um unbeabsichtigte Rückstände handeln. Der Zusatz der streitgegenständlich angegriffenen Stoffe ist nach Darstellung der Antragsgegnerin zwar auf den Herstellungsprozess bezogen (z.B. um ein Anbacken der Produkte zu verhindern). Gleichermaßen bezieht sich die Zweckbestimmung aber darüber hinaus auch (dauerhaft) auf das fertige Produkt, indem z.B. die Fließfähigkeit verbessert und die Farbintensität stabilisiert werden soll. Diese Zielrichtung des Einsatzes schließt es aus Sicht des Senats aus, die Stoffe ausschließlich als Verarbeitungshilfsstoffe zu kategorisieren. Denn ihre Beigabe ist weder unbeabsichtigt noch ein Rückstand, sondern soll den Herstellungsprozess begleiten, aber auch darüber hinaus wirken.
2. § 5 Abs. 2 Nr. 6 LMKV enthält mit der Bezugnahme auf § 2 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 LFGB zwar einen ähnlichen Regelungsgehalt, normiert indes abweichende Voraussetzungen, die im vorliegenden Fall gegeben sind. § 5 Abs. 2 Nr. 6 LMKV ist in Umsetzung von Art. 6 Abs. 4 Buchst. c) iv) der Richtlinie 2000/13/EG eingefügt worden. Dementsprechend ist diese gemeinschaftsrechtliche Bestimmung bei der Auslegung der nationalen Norm mit heranzuziehen.
a. Der nationale Gesetzgeber hat den Wortlaut der Richtlinie nicht unverändert übernommen, sondern die Umsetzungsvorschrift abweichend formuliert. Dieser Umstand mag zu Missverständnissen Anlass geben, die nach Auffassung des Senats indes behebbar sind. In Abgrenzung zu § 5 Abs. 2 Nr. 3 betrifft § 5 Abs. 2 Nr. 6 zunächst nicht unmittelbar Stoffe i. S. v. § 2 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 LFGB, sondern solche, "die auf dieselbe Weise und zu denselben Zweck" verwendet werden. Diesem - auch der Richtlinie immanenten Gesetzeszweck - liegt erkennbar das Bestreben zu Grunde, weitere Stoffe zu privilegieren, die nicht "Verarbeitungshilfsmittel" im eigentlichen Sinne sind, wegen ihrer vergleichbaren Zweckbestimmung und Wirkungsweise aber gleichwohl von der Kennzeichnungspflicht freigestellt werden sollen. Dem Wortlaut der nationalen Norm scheint auf den ersten Blick allerdings das erforderliche Kriterium zu fehlen, um welche Art von Stoffen es sich hierbei handeln kann bzw. welche gerade nicht gemeint sind.
b. Diese Frage beantwortet indes die EG-Richtlinie. Denn dort ist ausgeführt, dass von der Ausnahmeregelung nur solche Stoffe erfasst werden, "die keine Zusatzstoffe sind, die aber...". Diese Zielrichtung der Regelung hat mit dem Verweis auf § 2 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 LFMG nicht mit der notwendigen Klarheit Eingang in die nationale Regelung gefunden. Allerdings ergibt sich auch aus dem Einleitungssatz dieser Norm, dass die dort beschriebenen Stoffe gerade nicht als Lebensmittel-Zusatzstoffe gelten. Der Senat entnimmt der nationalen Norm bei der gebotenen gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung die Zielrichtung, dass es sich bei den dort den "Verarbeitungshilfsstoffen" gleich gestellten Stoffen nicht um Zusatzstoffe i. S. d. Anlage 2 der Zusatzstoff-Verkehrsordnung handeln darf. Damit werden die zahlreichen, im Regelfall bei höher konzentriertem Rückstand kennzeichnungspflichtigen Zusatzstoffe dieser Verordnung von einer Privilegierungsmöglichkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 6 LMKV gerade ausdrücklich ausgenommen. Es verbleiben damit nur solche Stoffe, die keine Zusatzstoffe sind, aber gleichwohl die Voraussetzungen und Zweckbestimmung eines Verarbeitungshilfsstoffes i. S. v. § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 LFGB erfüllen. Damit ist der Anwendungsbereich der Norm nach dem Verständnis des Senats relativ eng gefasst, so dass die von der Antragstellerin befürchtete ausufernde Anwendung nicht nahe liegt.
c. Allerdings nimmt Art. 6 Abs. 4 Buchst. c der Richtlinie - naturgemäß - nicht auf § 2 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 LFGB Bezug, sondern verwendet den Begriff "technologische Hilfsstoffen". Der Senat ist mit der Antragsgegnerin der Auffassung, dass dieser Begriff letztlich deckungsgleich mit dem Begriff "Verarbeitungshilfsstoff" im Sinne dieser Norm sowie der Richtlinie 89/107/EWG ist. Dementsprechend führt Hagenmeyer, LMKV, 2. Auflage § 5 Rdnr. 10 aus, dass mit dem Begriff Verarbeitungshilfsstoffe diejenigen Stoffe gemeint sind, die "früher auch technische Hilfsstoffe" genannt wurden (Anlage AG5, ebenso Meyer, LFGB, § 2 Rdnr. 83). Einen Unterschied zwischen technischen und technologische Hilfsstoffen vermag der Senat in dem hier relevanten Verwendungszusammenhang nicht zu erkennen.
d. Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass die streitgegenständlichen Substanzen (Invertzucker, Fructose, Saccharose) diese Eigenschaften grundsätzlich erfüllen. Insbesondere werden sie i. S. v. § 2 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 LFGB "aus technologischen Gründen während der Be- oder Verarbeitung von Lebensmitteln verwendet". Nach dieser Bestimmung wäre ihr Verbleiben in dem Produkt aber nur gerechtfertigt, wenn es sich um "unbeabsichtigte, technisch unvermeidbare Rückstände" handelte. Dies ist hier - wie dargelegt - unstreitig nicht der Fall. Für derartige Anwendungssituationen erweitert § 5 Abs. 2 Nr. 6 LMKV die gesetzlichen Ausnahmetatbestände, und zwar dadurch, dass diese Norm nicht direkt auf die Tatbestandsvoraussetzungen von § 2 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 LFGB Bezug nimmt, sondern nur verlangt, dass der betreffende Stoff "auf dieselbe Weise und zu demselben Zweck" wie derartige Verarbeitungshilfsstoffe verwendet wird. Sind die genannten, aus der Auslegung von Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie entnommenen Voraussetzungen kumulativ erfüllt, so ist es i. S. v. § 5 Abs. 2 Nr. 6 LMKV - und insoweit anders als in § 2 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 LFGB - unschädlich, wenn die verwendeten Stoffe nicht nur als Rückstände, sondern insgesamt im Enderzeugnis vorhanden bleiben. Auch in diesem Fall normiert diese Vorschrift eine Ausnahme von der Deklarierungspflicht. Eine derartige Situation liegt hier vor, so dass ein Fall von § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB nicht gegeben ist.
e. Die Auffassung der Antragstellerin, mit dem Einfügen von § 5 Abs. 2 Nr. 6 LFGB und der vorgenommenen Erweiterung auf Nicht-Zusatzstoffe (in der gesetzlichen Begründung ist Eiweiß als Klärungsmittel als Beispiele genannt) habe das Postulat des § 2 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 LFGB, wonach insoweit nur "Rückstände" zulässig seien, nicht aufgegeben werden sollen, findet in der gesetzlichen Regelung keinen Anhaltspunkt. In Anbetracht der Wortwahl "... und - auch in unveränderter Form - im Enderzeugnis vorhanden sind." ist vielmehr das Gegenteil geregelt worden. Auch die Antragstellerin erläutert nicht, wie diese (einschränkungslose) Gesetzesformulierung mit ihrer Rechtsauffassung in Einklang zu bringen ist.
aa. Sie hat hierzu allerdings nunmehr in zweiter Instanz als Anlage B2 eine gutachterliche Stellungnahme der Rechtsanwälte Dr. Schroeter und Dr. Oelrichs (Zenk Rechtsanwälte) vorgelegt. Die Autoren argumentieren, dass durch das Einfügen von Art. 6 Abs. 4 Buchst. c) iv) der Richtlinie ein bisher bestehender Wertungswiderspruch aufgehoben werden sollte. Privilegiert waren bislang lediglich "Zusatzstoffe". Dies sind entsprechend der Definition in § 2 Abs. 3 LFGB nur solche Stoffe, die weder selbst als Lebensmittel verzehrt noch als charakteristische Zutat eines Lebensmittels verwendet werden. Wurden hingegen im Verarbeitungsprozess "Nichtzusatzstoffe" hinzugefügt (wie z. B. Zucker, der nicht nur dem Herstellungsprozess dient, sondern auch als Lebensmittel verzehrt wird), so galt die auch in § 2 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 LFGB ausgesprochene Privilegierung nicht. Schon minimale unvermeidbare Rückstände wären schädlich gewesen. Nach der Auffassung der Autoren sollte damit auch der als Verarbeitungshilfsstoff eingesetzte Nichtzusatzstoff privilegiert werden, allerdings nur in exakt demselben Umfang wie der Zusatzstoff.
bb. Was die Autoren bei aller ihrer Argumentation indes letztlich weitgehend ausblenden, ist der letzte Halbsatz des Richtlinientextes "...und - wenn auch möglicherweise in veränderter Form - im Enderzeugnis vorhanden bleiben." Auch wenn man ansonsten der Meinung sein sollte, der zugesetzte Zucker sei nach denselben Kriterien wie sonstige Verarbeitungswirkstoffe zu behandeln, die typischerweise bis auf unvermeidbare Reste aus dem Lebensmittel wieder entfernt werden, kann auch die Antragstellerin keine schlüssige Erklärung für diese sprachliche Fassung des Richtlinientextes auf der Grundlage des von ihr vorgezogenen Verständnisses liefern. Letztlich versucht die Antragstellerin, die Richtlinie gegen ihren klaren Wortlaut einschränkend auszulegen. Auch die Argumentation der Autoren, diese Formulierung besage nichts über den Umfang des Verbleibens und meine deshalb nur Reste, ist schon deshalb ohne Überzeugungskraft, weil an anderer Stelle in entsprechenden Zusammenhängen durchaus quantitativ argumentiert wird (Anmerkung 5 zu Art. 1 Abs. 3 Ziffer a der Richtlinie 89/107/EWG). Dementsprechend vermag ihre Argumentation den Senat nicht zu überzeugen. Denn es kann durchaus auch einen vernünftigen Grund für die gegenteilige Auffassung geben: Weil nicht ihrerseits als Lebensmittel verzehrte Zusatzstoffe als potenziell unerwünscht bzw. gefährlich gelten, sind diese möglichst rückstandsfrei zu entfernen, während als Lebensmittel verzehrbare Nichtzusatzstoffe als unbedenklich eingestuft werden und deshalb auch in mehr als nur geringfügigen Mengen im Produkt verbleiben können.
f. Soweit die (im Lebensmittelrecht hoch fachkundigen) Teilnehmer der 37. Sitzung des Rechtsausschusses des BLL (Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V.) offenbar zu demselben Ergebnis gekommen sind wie die Antragstellerin (Anlage B1), vermag der Senat auch diese Meinungsäußerung führender Interessenvertreter im Rahmen einer privatrechtlichen Interessengemeinschaft, die sich ebenfalls nicht mit dem Gesetzeswortlaut auseinander setzt, nicht zu teilen. Wäre der vertretene Standpunkt zutreffend, wäre die gesetzliche Regelung insoweit erkennbar sinn- und systemwidrig. Denn sie würde ein Tatbestandsmerkmal von § 2 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 LFGB - zudem in anderer Wortwahl und missverständlich - wiederholen, obwohl in der Parallelvorschrift des § 5 Abs. 2 Nr. 3 LMKV dies gerade nicht erfolgt.
3. Die Befürchtungen der Antragstellerin, durch ein derartiges Verständnis der Norm sei es letztlich möglich, z.B. ein Produkt mit unerwünschten Zuckerzusätzen "zu überfrachten", ohne diese Zusätze deklarieren zu müssen, erweist sich nach Auffassung des Senats ebenfalls als unbegründet. Es ist zum einen bereits dem Begriff eines "Verarbeitungshilfsstoffes" immanent, dass dieser nicht um seiner selbst (oder der Geschmacksverbesserung) willen, sondern um einer bestimmten Zweckerfüllung im Rahmen des Verarbeitungsprozesses zugesetzt wird. An diesem Maßstab ist auch stets der Zusatz von Zucker zu messen. Weiterhin setzt § 2 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 LFGB voraus, dass die verbleibenden Anteile "gesundheitlich unbedenklich" sind und sich nicht "technologisch auf dieses Lebensmittel auswirken". Durch diese weitere Voraussetzungen in Verbindung mit der Forderung, dass die Stoffe keine Zusatzstoffe sind, lassen sich nach Auffassung des Senats die von der Antragstellerin befürchteten Missbräuche weitgehend beschränken. Soweit die Antragstellerin geltend macht, das Produkt der Antragsgegnerin enthalte entsprechend der jeweiligen "Nährwerttabelle" (Anlage ASt2) einen Anteil an Zucker von bis zu 70/100gr, so beziehen sich diese Angaben erkennbar nicht auf die zugesetzten Zuckerarten als Verarbeitungshilfsstoffe, sondern kennzeichnen insgesamt den Zuckergehalt, der auch den erheblichen Anteil an natürlichem Fruchtzucker des Produkts mit umfasst. Dies zeigt bereits eine vergleichende Betrachtung des Anteils an Kohlenhydraten.
4. Die Behauptung der Antragstellerin, die Zusätze von Zucker erfolgten bei dem Produkt der Antragsgegnerin nicht als Verarbeitungshilfsstoff, sondern in Form eines Lösungsmittels bzw. eines Trägerstoffes ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Zwar kann sich die Antragstellerin insoweit auf die sachverständige Stellungnahme von Dr. C.H. vom 07.12.06 (Anlage ASt3) berufen. Dem steht indessen die gutachterliche Auffassung von H.F. vom 30.10.06 (SGS Institut Fresenius) entgegen (Anlage AG4), nach dessen Ausführungen der Zusatz von Zucker ausschließlich aus verarbeitungstechnologischen Gründen erfolgt. Der Senat vermag mit den Mitteln des einstweiligen Verfügungsverfahrens nicht festzustellen, welcher Auffassung der Vorzug zu geben ist. Dementsprechend ist es der Antragstellerin nicht gelungen, ihre Behauptung glaubhaft zu machen.
5. Gleiches gilt für die - bestrittene - Behauptung zu dem Anteil des zugesetzten Zuckers im Verhältnis zu dem in den Grundstoffen vorkommenden natürlichen Zuckeranteil. Mit ihrem Schriftsatz vom 02.10.07 hat die Antragstellerin tabellarisch darzulegen versucht, dass der natürliche Zuckergehalt der Ausgangsrohstoffe bei vielen der Produkte der Antragsgegnerin verschwindend gering ist. Er soll bei fast allen Produkten in einer Größenordnung von ca. 3g/100g bis 9g/100g liegen, während der Zuckergehalt gemäß Nährwerttabelle zwischen 35g/100g und 70g/100g liegt. Dieser Behauptung ist die Antragsgegnerin mit Nachdruck entgegen getreten und hat unter Bezugnahme auf eine gutachterliche Stellungnahme des SPS Institut Fresenius 09.10.07 dargelegt, dass Vergleichsgrundlage bei ihren Produkten nicht der Zuckergehalt der Ausgangsrohstoffe, sondern nur der erheblich höhere Zuckergehalt der entsprechenden Konzentrate sein könne, die für die Produktion der färbenden Lebensmittel verwendet würden. Der natürliche Zuckergehalt sei sogar noch höher als in der Tabelle der sachverständigen Stellungnahme angegeben, weil im Rahmen der Herstellung der Konzentrate darüber hinaus störende Begleitstoffe (Faserstoffe) abgetrennt würden. Diese Darstellung erscheint dem Senat auf den ersten Blick plausibel. Auch insoweit lässt sich mit den Mitteln des einstweiligen Verfügungsverfahrens aber nicht ausreichend verlässlich aufklären, welche Sachverhaltsdarstellung zutreffend ist. Der Antragstellerin ist es deshalb auch insoweit nicht gelungen, ihre Behauptung, die Antragsgegnerin setzte Zucker überhaupt nicht als Verarbeitungshilfsstoff bzw. zu einer entsprechenden Zweckbestimmung ein, glaubhaft zu machen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Ende der Entscheidung
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